Der Nationalrat hat heute mit dem Ja zur Änderung des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (24.096) beschlossen, kantonale Mindestlöhne zu verbieten. Zum ersten Mal in der Geschichte sollen Löhne per Bundesgesetz gesenkt werden. Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen würden noch weniger verdienen. Sofern auch der Ständerat zustimmt, würden demokratisch beschlossene Volksentscheide umgestossen. Zudem würde die föderale Mitsprache der Bevölkerung in den Kantonen massiv eingeschränkt. Damit würden bewährte Instrumente gegen Lohndumping – insbesondere in Grenzregionen – torpediert. Wenn die Arbeitgeber den Lohnschutz vor den anstehenden Europa-Abstimmungen schwächen wollen, spielen sie mit dem Feuer und gefährden die erfolgreiche, sozial flankierte Öffnungspolitik gegenüber der EU. Der SGB setzt auf die Vernunft des Ständerats, der dieses Lohnsenkungsgesetz noch stoppen kann.
Angriff auf tiefe Einkommen – gegen den Volkswillen
In Kantonen wie Genf und Neuenburg oder Städten wie Zürich und Winterthur haben die Stimmberechtigten die Mindestlöhne demokratisch beschlossen. Diese schützen vor Armut, stärken die Kaufkraft und gefährden keine Arbeitsplätze. Doch genau diese Erfolge will das Parlament nun zunichtemachen. Besonders betroffen wären Frauen im Gastgewerbe, im Detailhandel, in Coiffeursalons oder in der Reinigung. In Genf würde eine gelernte Coiffeuse mit Berufserfahrung bis zu 250 Franken im Monat verlieren. Betroffen wären alle: Denn das Gesetz würde auch zukünftige kantonale Mindestlöhne untersagen, die Bevölkerung aller Kantone hätte dieses Volksrecht nicht mehr.
Demokratie und Lohnschutz werden untergraben
Der Angriff auf die gesetzlichen Mindestlöhne hebelt direktdemokratische Entscheide aus – ein gefährlicher Präzedenzfall. Verfassung und Föderalismus werden missachtet – nur damit Arbeitgeber tiefere Löhne zahlen können. Auch europapolitisch ist der Entscheid brisant: Kantonale Mindestlöhne sind – im Rahmen der Personenfreizügigkeit – ein wichtiges Instrument gegen Lohndumping. Mit der Motion würde ein wichtiger Pfeiler des Lohnschutzes wegfallen.
Die Allgemeinheit zahlt – die Arbeitgeber sparen
Wenn die Vorlage umgesetzt wird, verdienen tausende Berufstätige weniger als 4’000 Franken. Sie haben mehrere hundert Franken weniger Lohn. Viele wären auf Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe angewiesen – die Kosten trägt dann die Allgemeinheit, während die Arbeitgeber profitieren.
Von einem «Eingriff in die Autonomie der Kantone» und einer «Missachtung kantonaler Volksentscheide» sprechen die Kantonsregierungen in einem Brief ans Parlament und lehnen die Vorlage deshalb klar ab. Gemäss Bundesverfassung haben die Kantone die Kompetenz, sozialpolitisch tätig zu werden – dazu gehört auch das Festlegen von Mindestlöhnen zur Armutsbekämpfung. Das Bundesgericht hat diese Kompetenz klar bestätigt. Die geplante Änderung des AVEG zielt darauf ab, genau diese kantonale Sozialpolitik zu beschneiden. Daher ist der Ständerat als Vertretung der Kantone aufgefordert diese Vorlage noch zu verhindern.
Der SGB wird sich mit aller Kraft gegen dieses Lohnsenkungsgesetz wehren. Wer arbeitet, muss von seinem Lohn leben können.