SGB wehrt sich gegen Angriff auf tiefste Löhne und Demokratie

Mit der Umsetzung der Motion Ettlin (24.096) will das Parlament zum ersten Mal in der Geschichte per Gesetz Löhne senken – auf Kosten von tausenden Arbeitnehmenden in Tieflohnbranchen. Die Vorlage hebelt nicht nur direktdemokratisch beschlossene kantonale Mindestlöhne aus, sondern schwächt auch den Lohnschutz im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit mit der EU. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) wird dieses Lohnsenkungsgesetz mit allen Mitteln bekämpfen, sollte es vom Parlament angenommen werden.

Ein Frontalangriff auf tiefe Einkommen – gegen den Volkswillen

In Genf und Neuenburg haben die Stimmberechtigten per Volksentscheid Mindestlöhne eingeführt. Diese haben ihre Wirkung entfaltet: Tausende Berufstätige, insbesondere Frauen, erhalten höhere Löhne – ohne Anstieg der Arbeitslosigkeit. Auch in Zürich, Winterthur und Luzern wurden Mindestlöhne beschlossen. Die Forschung zeigt klar: Mindestlöhne schützen vor Armut, stärken die Kaufkraft und gefährden keine Arbeitsplätze.

Doch diese Erfolge sind jetzt bedroht. Künftig sollen Gesamtarbeitsverträge (GAV) mit tieferen Löhnen kantonale Mindestlöhne unterlaufen dürfen. «Zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz spielt das Parlament unter der Regie der Arbeitgeber mit dem Gedanken, Löhne von tausenden Angestellten in der Schweiz per Bundesgesetz zu senken und den Lohnschutz zu verschlechtern», erklärt Daniel Lampart, Chefökonom beim SGB. 

Das bedeutet Lohnsenkungen trotz Volksentscheid – etwa für Angestellte im Gastgewerbe, im Detailhandel oder in Coiffeursalons. Vania Alleva, Vizepräsidentin SGB und Präsidentin Unia, führt aus: «In Genf verliert eine gelernte Coiffeuse mit drei oder mehr Jahren Berufserfahrung bis zu 250 Franken im Monat. Eine angelernte Mitarbeiterin in der Textilreinigung verliert sogar über 350 Franken. Und im Gastgewerbe verliert eine Mitarbeiterin mit einem eidgenössischen Berufsattest über 200 Franken. Das ist eine Frechheit!»  

Angriff auf direkte Demokratie und Lohnschutz

Der SGB verurteilt diesen Angriff auf die direkte Demokratie: Volksentscheide würden im Nachhinein ausgehebelt – ein gefährlicher Präzedenzfall. Pierre-Yves Maillard, Präsident SGB, stellt fest: «Föderalismus heisst: Entscheidungen auf der Ebene zu belassen, die den Bürger:innen am nächsten ist. Bei diesem Gesetz würden aber unsere Verfassung und ihre Grundsätze mit Füssen getreten – um Löhne von Coiffeusen oder Angestellten in der Gastronomie zu senken.»

Europapolitisch ist die Vorlage ebenso brisant: Kantonale Mindestlöhne sind ein wichtiges Instrument, um Lohndumping im Rahmen der Personenfreizügigkeit mit der EU zu verhindern. Fällt dieses Instrument weg, verliert die Schweiz eine wirksame Schutzmassnahme.

Verheerende Folgen für Betroffene

Gegner:innen eines nationalen Mindestlohns argumentierten 2014, man könne in Zürich nicht denselben Mindestlohn wie im Tessin zahlen. Genau deshalb haben Kantone eigene Lösungen geschaffen – abgestimmt auf die lokalen Lebenshaltungskosten. Diese kantonalen Mindestlöhne funktionieren problemlos. Ihre Abschaffung wäre ein Frontalangriff auf bewährte föderalistische Modelle. Für Matteo Antonini, Präsident syndicom, ist klar: «Mit dieser Gesetzesänderung würde dem Stimmvolk in den Kantonen die Möglichkeit weggenommen, Mindestlöhne zu beschliessen, die den lokalen Gegebenheiten entsprechen. Dieser Präzendenzfall muss verhindert werden».

Wenn das Parlament diesen Kurs fortsetzt, verlieren tausende Berufstätige mit Mindestlohn ein existenzsicherndes Einkommen. Viele wären auf Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe angewiesen – die Allgemeinheit zahlt, während Arbeitgeber weniger Lohn entrichten und höhere Gewinne erzielen.

Der SGB wird dieses unsoziale und undemokratische Vorhaben mit aller Kraft bekämpfen. Wer arbeitet, muss von seinem Lohn leben können.